Der Rheinische Verein für Denkmalpflege fordert, die historische Symmetrie des Gutenbergplatzes vor dem Staatstheater wiederherzustellen. „Die Uridee der Symmetrie ist das naheliegendste Konzept für den Platz“, sagte der frühere Mainzer Denkmalpfleger Hartmut Fischer der Internetzeitung Mainz&. Der Verein plädiere deshalb „für eine Architektur, die an das historische Konzept anknüpft“ und bei dem das heutige WMF-Haus auf der gegenüberliegenden Seite mit einem Zwillingshaus im gleiche Stil gespiegelt werde. Die Idee ist nicht neu, aktuell wird sie aber durch die neuen Pläne für die Bebauung des Karstadt-Areals.

So könnten die Gebäude am Eingang zum Gutenbergplatz in Mainz aussehen - Visualisierung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege
So könnten die Gebäude am Eingang zum Gutenbergplatz in Mainz aussehen – laut einer Visualisierung des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege. (Copyright)

Der Ingelheimer Investor Dirk Gemünden will auf dem Areal des heutigen Karstadt samt der angrenzenden Pavillons sowie des Deutsche Bank-Hauses ein neues Einkaufszentrum errichten. Der „Boulevard LU“ soll ein zur Ludwigsstraße hin sich öffnender Komplex werden, der gesamte Komplex reicht bis über die Fuststraße hinweg bis zum Gutenbergplatz. Allerdings gehört der Pavillon direkt am Gutenbergplatz, der frühere „China“-Pavillon, in dem sich heute unter anderem der „Stadtbalkon“ befindet, nicht zu Gemündens Eigentum. Dennoch soll ein städtebaulicher Ideenwettbewerb, den die Stadt jüngst ankündigte, auch diesen Pavillon der Familie Leuchter umfassen – falls diese das Gebäude doch einmal verkaufen will.

Die Leuchters hatten sich jahrelang gegen einen Verkauf ihres Pavillons an den Investor ECE gesperrt und damit mutmaßlich eine Riesenmall entlang der LU maßgeblich mit verhindert. Investor Gemünden und seine Mitarbeiter berichteten indes, man führe Gespräche auch mit der Familie Leuchter mit dem Ziel, auch diese Immobilie in die Gesamtplanungen einbeziehen zu können. Ende März stellte Gemünden dann sein Konzept für den neuen „Boulevard LU“ vor, am 26. Juni lädt die Stadt zu einer großen Bürgerbeteiligung zu den neuen Bauplänen ein. Zudem kündigte Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) an, die Stadt werde jetzt umgehend einen neuen Bebauungsplan aufstellen – und zwar für die gesamte LU vom Schillerplatz bis zum Gutenbergplatz.

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Und genau in diesem Bebauungsplan müsse die Stadt die Voraussetzungen schaffen, um die symmetrische Bebauung am Eingang zum Gutenbergplatz von der LU aus wiederherzustellen, fordert nun der Rheinische Verein für Denkmalpflege. Das Ziel: Die historische Ursprungsplanung des französischen Kaisers Napoleon doch noch zu verwirklichen. Tatsächlich hatte Napoleon persönlich per Dekret im Oktober 1804 die Anlage einer neuen Paradestraße, eines Boulevards, samt repräsentativem Platz in der Innenstadt von Mainz verfügt. Für die neue Prachtstraße wurden Ruinen alter Gebäude und sogar von Kirchen beseitigt, die Franzosen schlugen eine riesige, symmetrische Schneise durch das Gassengewirr des alten Mainz.

Blick auf das Haus Gutenbergplatz 1 neben dem Mainzer Staatstheater am Gutenbergplatz. - Foto: gik
Blick auf das Haus Gutenbergplatz 1, das aus der napoleonischen Zeit stammt und nach den alten Plänen nach dem zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde – allerdings ein Stockwerk niedriger als ursprünglich. – Foto: gik

Der französische Generalingenieur Eustache de Saint-Far entwarf 1806 die Pläne für die Rue und den Platz – es waren die Franzosen, die mit dem Gutenbergplatz den Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern ehren wollten. „Der Gutenbergplatz ist ja ein politischer Platz par excellence“, sagt deshalb Hartmut Fischer, mit dem Platz habe Saint-Far auch städtebaulich „sagen wollen: Seht, wir haben eine neue Zeit, die Zeit der Adelsherrschaft ist vorbei, wir haben die Zeit der Bürger.“

Das Denkmal für den Buchdruck-Erfinder Johannes Gutenberg sei ja das erste Denkmal in Deutschland gewesen, das nicht für einen Adeligen, sondern für einen Bürgerlichen errichtet worden sei, erinnert Fischer. Der Gutenbergplatz stehe deshalb für „die Revolution in Mainz, das veranschaulicht die Französische Revolution.“ Die zentrale Idee von Saint-Far sei dabei gewesen, dem Platz einen städtebaulichen Rahmen zu geben mit einer „doppelten Achsensymmetrie“. Zentral dafür war wiederum die Planung, am Eingang zum Gutenbergplatz eine Art „Torsituation“ zu schaffen durch zwei Flügelbauten auf jeder Seite des Platzes – zwei Gebäude mit identischem Erscheinungsbild.

Rosenmontagszug 2017 auf der Ludwigsstraße, Blick Richtung Schillerplatz. - Foto: gik
Rosenmontagszug 2017 auf der Ludwigsstraße, Blick Richtung Schillerplatz – mit dem Gebäude Gutenbergplatz 1 rechts und den deutlich niedrigeren Pavillon links gegenüber. – Foto: gik

Realisiert wurde jedoch schon zu Napoleons Zeiten nur das Gebäude am Gutenbergplatz 1 direkt neben dem Staatstheater und angrenzend an das Haus des Deutschen Weins – das heutige WMF-Gebäude. Auf der gegenüberliegenden Seite entstand nach dem zweiten Weltkrieg hingegen der Leuchter-Pavillon – und genau das würde der Rheinische Verein für Denkmalpflege gerne ändern. „Wir plädieren für eine Architektur, die an das historische anknüpft und die andere Seite spiegelt“, sagte Fischer im Gespräch mit Mainz&. Eine Rekonstruktion sei das nicht, denn das Zwillingsgebäude habe es ja nie gegeben.

Damit böte sich aber die einmalige Chance, die alten französischen Planungen zu verwirklichen – für Fischer wäre das ein architektonischer Meilenstein in Deutschland. Der Gutenbergplatz mit seiner Größe brauche „eine gewisse Fassung“, sagt Fischer, mit den symmetrischen Eingangstoren „würden Sie sehen, was für eine Ausstrahlung und Würde der Platz bekäme“, schwärmt er. Der Verein fordert deshalb, die Stadt müsse in ihrem neuen Bebauungsplan eine solche Planung ermöglichen.

Der heutige Leuchter-Pavillon an der Ludwigsstraße am Eingang zum Gutenbergplatz. - Foto: gik
Der heutige Leuchter-Pavillon an der Ludwigsstraße am Eingang zum Gutenbergplatz. – Foto: gik

Entscheidend dafür sei auch die Gebäudehöhe: Die derzeit vorgesehenen 12,50 Meter seien nämlich zu niedrig, sagt Fischer. Das Gebäude am Gutenbergplatz 1 sei nämlich ursprünglich ein Stockwerk höher und damit 14,70 Meter hoch gewesen – und diese Höhe müsse der neue Bebauungsplan sowohl für die Seite des Theaters, als auch für die gegenüberliegende Pavillon-Seite zulassen. „Diese Höhe ist angesichts der Dimensionen des Gutenbergplatzes städtebaulich auch zwingend“, betont der Architekt Günther Stanzl, denkmalfachlicher Sprecher des Regionalverbandes Mainz. Die Stadt solle deshalb „eruieren, welche Möglichkeiten es gibt, die alte Stockwerkszahl wieder herzustellen.“

Der rheinland-pfälzische Landesbeirat für Denkmalpflege habe schon vor sieben Jahren in einem Brief an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) für diese Zwillingsbebauung plädiert, der Mainzer Stadtrat sei ein halbes Jahr später „zu einer ähnlichen Schlussfolgerung gekommen“, betont der Verein in einer Mitteilung weiter. Im November 2017 plädierten die beiden Vorsitzendes des Denkmalvereins, die Mainzer Professoren Christoph Zöpel und Matthias Müller, zudem in einem weiteren Brief an Ebling erneut für die systematische Wiederherstellung der Napoleonischen Axialsymmetrie der Platzrandbebauung samt Festschreibung von Gebäudehöhe und Fassadenmaterialien.

Der Gutenbergplatz in Mainz mit Dom und Gutenbergdenkmal. - Foto: gik
Der Gutenbergplatz in Mainz mit Dom und Gutenbergdenkmal. – Foto: gik

Dem Gutenbergplatz komme „als Erinnerungsort von europäischem Rang“ eine besondere Bedeutung zu, dessen Entstehungsgeschichte ihn als städtebaulich-stadtgeschichtliche Besonderheit hervorhebe, schrieben Zöpel und Müller in dem Brief, der Mainz& vorliegt. Der Gutenbergplatz verdiene es, „wieder erkennbar zu werden als Zeugnis der tiefen Verehrung, die seine französischen Schöpfer dem großen Erfinder Gutenberg entgegenbrachten“, heißt es weiter. Ohne diese Gestaltung bliebe der Gutenbergplatz hingegen „ein Ort ohne erkennbare Geschichte und als solcher ein Stadtraum ohne Gesicht.“

Fischer kündigte an, der Verein werde diese Aspekte kommende Woche in die Bürgerbeteiligung zur Ludwigsstraße einbringen. Beim Investor Gemünden erwarte man, auf offene Ohren zu stoßen, fügte Fischer hinzu.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Bürgerbeteiligung am 26. Juni im Kurfürstlichen Schloss lest Ihr hier bei Mainz&, die Pläne Gemündens für den Boulevard LU lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&. Die Idee einer Rückkehr zu den französischen Planungen ist nicht neu, sie geht einher mit der Idee der alten „Korridorstraße“ – was die allerdings unter anderem für den Domblick vom Schillerplatz aus bedeuten würde, erklären wir Euch in diesem Mainz&-Artikel. Der Rheinische Verein für Denkmalpflege plädiert allerdings nur für den Bau der Torsituation am Gutenbergplatz, nicht für den gesamten Korridor.

 

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