Lange war es erwartet worden, jetzt ist es endlich da: Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) hat am Mittwoch endlich die Landesgutachten zum Bau des Terminals 3 am Frankfurter Flughafen vorgestellt. Die spannende Frage war: würde der Minister der Fraport in die Parade fahren? Die Antwort lautet: ja und nein. Zur Kapazitätssteigerung gebe es erst einmal Alternativen zum Terminal-Bau, empfahl Al-Wazir – und musste doch einräumen: Steigen die Passagierzahlen deutlich, ist ein drittes Terminal sogar die wirtschaftlichste Alternative. Tja, irgendwie klingt das ja dann doch nach einer gewissen Zahnlosigkeit des Tigers namens Al-Wazir…

Terminal 3 Frankfurter Flughafen - Grafik Fraprot
So soll es einmal aussehen, das Terminal am Frankfurter Flughafen – Grafik Fraport

Ihr erinnert Euch: Die Grünen hatten im Landtagswahlkampf versprochen, ein Terminal 3 zu stoppen, doch als Al-Wazir endlich Minister war, hatte Fraport schon die Genehmigung in der Tasche. Nun hieß es: Wir überprüfen die Notwendigkeit der Investition, schließlich sei das Land ja Anteilseigner des Flughafens und somit mit dafür verantwortlich, dass die Fraport keine Fehlinvestitionen tätige.

Ausbau des Terminals 1: 3 Millionen Passagiere mehr

Also wurde geprüft und gerechnet und gleich drei Gutachten vorgelegt. Das Ergebnis: „Es gibt Möglichkeiten, zum jetzigen Zeitpunkt durch Aus- und Umbauten an den bestehenden Gebäuden, die Abfertigungsqualität und den Komfort für die Passagiere zu erhöhen“, betont Al-Wazir. Im Klartext: Die Fraport könnte erst einmal das bestehenden Terminal 1 ausbauen, und zwar den Flugsteig A durch A-Plus-Nord und einen neuen Flugsteig C.

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Damit könnten drei Millionen Passagiere zusätzlich am Gebäude abgefertigt werden, zudem gebe es zusätzlich vier neue Stellplätze für Großflugzeuge. Dazu wäre der Ausbau deutlich günstiger, nämlich 860 Millionen Euro – der Bau des Terminals 3 würde dagegen rund 2,7 Milliarden Euro kosten. Und damit beginnen die Probleme, denn die Gretchenfrage lautet:  Wieviele Passagiere werden es denn in Zukunft?

Luftbild Terminal 1 Frankfurter Flughafen - Foto Fraport
Das Terminal 1 am Frankfurter Flughafen – weiter ausbauen? – Foto: Fraport

Denn die Fraport hatte schon vor einigen Wochen ihre eigene Studie vorgestellt, und nach der ist – natürlich – ein Terminal 3 einfach unverzichtbar. Bis 2030 würden die Passagiere auf 86 bis 90 Millionen steigen, die Zahl der Flugbewegungen auf 611.000 bis 649.000 Starts und Landungen. Laut Fraport können am Frankfurter Flughafen derzeit aber maximal 64 bis 68 Millionen Passagiere im Jahr abgefertigt werden, die Grenze würde im Jahr 2021 erreicht.

Gutachten Fraport: zu optimistisch

Das Wirtschaftsministerium muss nun einräumen: Die Gutachten der Fraport und ihre Berechnungen entsprechen den anerkannten Regeln der Wissenschaft. In den Prognosen würden außerdem nicht nur „Trends linear fortgeschrieben, sondern umfangreiche Betrachtungen verschiedener Einflussfaktoren“ vorgenommen – etwa die Entwicklung der Nachfrage und der Ticketpreise sowie der Einfluss von Konkurrenzstandorten.

Doch die Landes-Gutachter fanden auch eine zentrale Schwäche: Die Prognosen seien nämlich zu optimistisch. Die Gutachten der Fraport gingen „von weitgehend ungestörten und damit optimalen Entwicklungen aus“, kritisiert Al-Wazir.  Beispielhafte Modellrechnungen, wie sich steigende Ticketpreise, ein steigender Ölpreis oder eine schlechtere wirtschaftliche Entwicklung auf die Passagier- und Flugbewegungszahlen auswirken würden – die gebe es nicht.

Startender Airbus am Frankfurter Flughafen – Foto: gik
Hoch, höher, Flughafen Frankfurt? Wie weit steigen die Zahlen? – Foto: gik

Und der Minister hatte noch einen Kritikpunkt: Den Fraport-Gutachten fehle der Nachweis, dass ihre bisherigen Prognosen „für die Vergangenheit nachprüfbar richtige Ergebnisse“ erbracht hätten. Das ist natürlich eine Spitze, denn genau das ist nicht eingetreten. Die Fraport hatte ja schon die neue Nordwestlandebahn mit exorbitanten Prognosen steigender Luftbewegungen begründet, eingetreten sind die bisher – zum Glück – nicht.

Treffen Prognosen nicht ein, reicht auch ein Ausbau

Stattdessen sank die Zahl der Flugbewegungen sogar um 1,7 Prozent, während die Passagierzahlen durch vermehrt eingesetzte Großraumflugzeuge stiegen. Dass die Modelle aber überprüft würden, ob sie in der Vergangenheit richtige Ergebnisse brachten, das sei „eigentlich wissenschaftlicher Standard“, betonte Al-Wazir. Und gerade vor dem Hintergrund, dass frühere Prognosen eben nicht eingetroffen seien, solle die Fraport doch lieber noch einmal überdenken, ob „eine so große Investition wie der Bau des T3 angemessen ist“ – und die Alternativen ernsthaft prüfen.

Terminal 3 Abfertigungshalle - Grafik Fraport
Schöne neue Passagierwelten? Das Terminal 3 von innen – Grafik Fraport

Und Al-Wazir versuchte, das der Fraport doch noch irgendwie schmackhaft zu machen: Beide Maßnahmen zusammen seien  „deutlich günstiger“ als ein Neubau und „bergen somit auch ein geringeres ökonomisches Risiko“ für den Fall, dass die positiven Prognosen eben doch nicht so eintreffen. Und sollte doch noch ein neues Terminal nötig werden, von den Investitionen ins Terminal 1 würde die Fraport dann ja immer noch profitieren.

Bau des T3 wirtschaftlicher bei 14 Millionen Passagieren mehr

Und damit endet die Argumentationskette des Ministers, denn Al-Wazir musste auch einräumen: Müssen tatsächlich 14 Millionen Passagiere mehr in Frankfurt abgefertigt werden als heute – dann ist der Bau eines neuen Terminals einfach die wirtschaftlichste Variante. Und damit räumt Al-Wazir ein, dass der Bau eines T3 eben doch notwendig für die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens ist, sofern dieser weiter wachsen will. Und genau das will die Fraport…

Die Entscheidung, ob der Bau des Terminals jetzt begonnen werde oder nicht, das bleibe „eine unternehmerische Entscheidung der Fraport“, räumt Al-Wazir ein. Und mit der von der Stadt Frankfurt kurz vor der Landtagswahl ausgestellten Baugenehmigung hat die Fraport einen Rechtsanspruch auf den Bau. Da wird es auch wenig helfen, wenn Al-Wazir am Mittwoch noch mahnte, „die Fraport wäre gut beraten, die Alternativen noch einmal gründlich zu prüfen“ und „in eine nochmalige vertiefte Diskussion über die möglichen Alternativlösungen einzutreten.“

Fraport: Haben längst sorgfältig geprüft

Terminal 3 Innenansicht - Grafik Fraport
Terminal 3 Innenansicht – Grafik Fraport

Bei der Fraport reagierte man kühl – und verschickte die Pressemitteilung sogar, bevor die des Wirtschaftsministers eintraf. Bereits in der Vergangenheit habe die Fraport „den Bedarf für eine Erweiterung der Kapazitäten kontinuierlich und sorgfältig auf den Prüfstand gestellt und dabei auch alle denkbaren Alternativen zu einem Terminalneubau berücksichtigt“, hieß es in der Stellungnahme. Und erst im vergangenen September habe man ja die Gutachten zweier renommierter unabhängiger Institute vorgestellt.

Und die besagten eben, dass bereits 2021 die Kapazität nicht mehr ausreiche, weil dann mit einem Passagieraufkommen von 68 bis 73 Millionen zu rechnen sei – also mindestens vier Millionen mehr als heute. Da Al-Wazirs Alternativen aber nur bis zu drei Millionen Passagieren mehr weiter helfen…

Im Übrigen würden diese Prognosen auch durch die Langfristverkehrsprognose des Bundesverkehrsministeriums bestätigt, die bis zum Jahr 2030 im Luftverkehr ein durchschnittliches Passagierwachstum von etwa 2,5 Prozent pro Jahr erwarte. Man werde deshalb nun „die Prüfgutachten im Detail durcharbeiten und die Erkenntnisse in seine abschließende Bewertung einfließen lassen.“ Im Klartext: Danke für die weiteren Zahlen – aber unsere Entscheidung steht fest. Fraport will im Sommer mit dem Bau beginnen…

Linke: Politische Bankrotterklärung

Plakat Fluglärm-Demo Zähne zeigen Nov 2014
Die Ausbau-Gegner laufen Sturm vor Empörung – so wie auf diesem Plakat von 2014

Die Linke im hessischen Landtag sprach denn auch davon, die „Bedarfsprüfung“ Al-Wazirs entpuppe sich als „grundsätzliches Abnicken des Fraport-Gutachtens“. Das sei „die politische Bankrotterklärung des grünen Verkehrsministers“, wetterte Linksfraktionschefin Janine Wissler. Die Frage nach der Belastbarkeit der Menschen in der Region bleibe „völlig außen vor“, die Bedarfsprüfung sei ein „seit Monaten vorgezeigtes Feigenblatt“, das sich nun auch noch „als Luftnummer entpuppt.“

Die Mainzer Bundestagsabegordnete Tabea Rößner (Grüne) hingegen lobte, die Bedarfsprüfung „deckt eklatante Schwächen auf.“ Die Prognosen der Fraport hätten sich schon bei der Nordwestlandebahn nicht bewahrheitet, die Kapazitätsgrenze von 68 Millionen Passagieren sei „damit hinfällig.“ Ein schneller Bau des Terminals 3 sei damit nicht mehr nötig, Fraport drohe bei schlechten Zahlen eine „finanzielle Schieflage“. Ein „zweites Desaster, so wie beim Terminal 2, sollte sich die Fraport AG ersparen“, sagte Rößner.

Ebling & Eder loben „Mut, neu zu denken“

„Die zwingende Notwendigkeit der Realisierung von Terminal 3 ist – gerade auch durch die Erkenntnisse des hessischen Wirtschaftsministeriums – widerlegt“, befanden auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und seine grüne Umweltdezernentin Katrin Eder. Es gebe klar „alternative Optionen, um dem Verkehrsaufkommen mit Komfortgarantie durch Umbauten an den bestehenden Terminals gerecht zu werden.“

Vor allem aber begrüßten Ebling und Eder, dass Hessen als größter Anteilseigner „erstmals die Pläne von Fraport kritisch hinterfragt und den Mut hat, neu zu denken.“ Das ist in der Tat ein Novum, und – Achtung Analyse! – zum ersten Mal sitzt im Wiesbadener Verkehrsministerium jemand, der die Bereitschaft hat, dem ungehemmten Expansionsdrang der Fraport etwas entgegen zu setzen.

Machtkampf Fraport-Minister

Flughafen Gewirr Maschinen Vorfeld - Foto Fraport
Flugzeug Wirrwarr auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens – so viel Gedränge hätte die Fraport gerne – Foto: Fraport

Das – Achtung Kommentar! – ist gut für die Region, nur nützen wird es erst einmal nichts – die Fraport sitzt eindeutig am längeren Hebel, was den Terminal-Bau angeht. Dazu – Achtung Analyse! – läuft hier auf offener Bühne ein Machtkampf um die Frage: Wer ist stärker, Fraport oder Land, Unternehmen oder Politik?

Dieser Machtkampf ist hoch spannend, zumal er nach unserer Wahrnehmung zum ersten Mal in dieser Dimension geführt wird: Die Politik „wagt“ es, einem Expansionsdrang eines Unternehmens in den Weg zu treten, und stellt damit zum ersten Mal die dahinter liegende Logik infrage, dass Wachstum und immer weiteres Wachstum gut ist. Es wird spannend zu beobachten sein, ob das zu einem Umdenken führt, oder nur – wie derzeit – zu einem Hahnenkampf um Macht und Einfluss.

Ausbaugegner warnen vor Milliardenverlusten

„Die Fraport AG wäre gut beraten, diese vom zuständigen Ministerium aufgezeigten Alternativen sorgsam und im Detail zu prüfen“, befinden die Mainzer Eder und Ebling, doch wir haben da unsere Zweifel. Die Zukunftsinitiative Rhein-Main, ein Zusammenschluss Ausbau kritischer Kommunen im Rhein-Main-Gebiet, warnte die Fraport gar, bei einem späteren Baustopp könnten „Milliardenverluste drohen!“

Die Passagierprognosen von 2007 seien längst überholt, die Lufthansa wolle das neue Abfertigungsgebäude auch nicht mehr zur Hälfte nutzen. „Fraport muss also regelrecht um mehr Flugverkehr werben, damit sich Terminal 3 überhaupt rechnet – auf Kosten der Menschen in der Region!“ Und auch hier gab es Lob für Al-Wazir und seine „kritische Würdigung.“

BIs: „unentschlossene Haltung“ unterstützt Wachstumsstrategie

Grafik BI gegen Fluglärm Terminal 3
So sieht’s die BI gegen Fluglärm: Bouffier baut, und Al-Wazir – nun ja…

Das wiederum können die Bürgerinitiativen der Region überhaupt nicht nachvollziehen: Al-Wazir habe sich mit seiner „unentschlossenen Haltung endgültig aus der Gegnerschaft gegen den unendlichen Flughafenausbaus verabschiedet“, kritisierte Thomas Scheffler, Sprecher des Bündnis der Bürgerinitiativen. Das Terminal 3 sei nur „ein weiterer Schritt zur Verlärmung und Verschmutzung des Rhein-Main-Gebiets, des rücksichtslosen Angriffs auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der hier lebenden Menschen.“

Und das Terminal wäre „auch ökonomisch eine gigantische Fehlinvestition“, betonte Scheffler, denn Frankfurt habe ohnehin keine Chance, bei den Riesenflughäfen im Nahen Osten mitzuhalten. Das Ganze sei doch „nahezu lächerlich“, hieß es bei der Initiative gegen Fluglärm in Rheinhessen, Al-Wazir unterstütze doch „die rücksichtslose Wachstumsstrategie“ der Fraport statt mit dem Namen Terminal 3 mit dem Namen „größeres Terminal 1“. Dem Lärm sei es aber „egal, ob er im Süden oder im Norden des Flughafens seinen Anfang nimmt.“

Al-Wazir stoppe das „liederliche Zahlenspiel“ der Fraport eben nicht und verschweige zudem beharrlich, dass es gegen den Ausbau „derzeit noch Dutzende erfolgversprechender VGH-Klageverfahren in erster Instanz“ gebe, heißt es in einer Pressemitteilung der BI Eddersheim, die die Mainzer Initiative gegen Fluglärm auf ihrer Facebook-Seite übernahm. “ Fraport hat alle Projekte bewusst ins Risiko gebaut“, heißt es da weiter, das sei „die kalte Arroganz des übermächtigen Staatskonzerns“, der schlicht Fakten schaffe.

Der Graben zwischen Flughafen und Region – er klafft weiter, als je zuvor.

Info& auf Mainz&: Die Darstellung des hessischen Verkehrsministeriums samt aller dreier Gutachten könnt Ihr auf dieser Internetseite nachlesen. Die Pressemappe der Fraport mit ihren Prognosen zum Terminal 3 findet Ihr hingegen hier.

 

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