Es ist drei mal fünf Meter klein und bildet im Maßstab 1:6 exakt den Werkstattflügel des legendären Dessauer Bauhauses ab: In Mainz ist seit Dienstag das Bauhaus als Tiny House zu Gast. Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel konzipierte das Bauhaus als „Wohnmaschine“ aus zwei Zimmern, Küche und Bad auf einer Fläche von 15 Quadratmetern, zum 100. Geburtstag der Bauhaus-Bewegung tourt das Tiny House derzeit durch Deutschland. In Mainz markiert es den Auftakt zur Woche der Baukultur der Architektenkammer.

Das Tiny Bauhaus auf der Malakoff-Terrasse in Mainz. - Foto: gik
Das Tiny Bauhaus auf der Malakoff-Terrasse in Mainz. – Foto: gik

Zum Tag der Baukultur Ende Juni organisiert die Gruppe Mainz und Mainz-Bingen der Architektenkammer Rheinland-Pfalz eine Woche der Baukultur, in diesem Jahr ist es ein ganzes Architekturfestival, das bis zum 18. Juni reicht. Im Mittelpunkt steht das Top-Architekturthema des Jahres 2019: 100 Jahre Bauhaus. Die Hochschule für Kunst und Design wurde 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet und zog 1925 nach Dessau um.

Das Bauhaus wurde schnell zu einer der bis heute einflussreichsten Bewegungen im Bereich Design und Architektur. Geprägt von dem Schock des Ersten Weltkrieges, verstand man sich als Avantgarde, die nichts weniger als „die Welt neu denken“ wollte. So entstanden völlig neue Möbellinien oder Lampen, vor allem aber eine neue Architektur, die mit der Erfindung des schnörkellosen Kubus mit Flachdach die Vorstellungen vom Bauen revolutionierte.

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„Das Bauhaus ist viel mehr als Flachdacharchitektur“, sagte denn auch Ina Seddig, Sprecherin der Architektengruppe, bei der Vernissage am Dienstag: „Es war der Anspruch, Gestaltung von Grund auf neu zu denken und Traditionen in Frage zu stellen.“ Das Bauhaus habe die Idee eines Gesamtkunstwerks entworfen und wollte eine Einheit von Architektur, Handwerk und Kunst schaffen. Gleichzeitig suchte man nach einer Antwort auf die Industrialisierung, es ging auch darum, Produkte erschwinglich zu machen durch breite Massenproduktion.

Ina Seddig und Professor Klaus Teltenkötter vor dem Tiny Bauhaus, im Hintergrund Designarbeiten. - Foto: gik
Ina Seddig und Professor Klaus Teltenkötter vor dem Tiny Bauhaus, im Hintergrund Designarbeiten. – Foto: gik

„Den Bauhäusern ging es um die zentrale Frage, wie Menschen leben und mit welchen Dingen sie sich umgeben wollen“, sagte Seddig. Und genau an diese Fragen knüpfe das Tiny Bauhaus auch an: Die „Wohnmaschine“ wolle auf aktuelle auf Herausforderungen und Probleme verweisen wie Wohnungsnot, Globalisierung und Landflucht. Gleichzeitig hinterfrage das Tiny House den Flächenverbrauch jedes einzelnen und fordere gleichzeitig angemessenen Wohnraum für alle, sagte Seddig.

Die Dominanz des rechten Winkels und die Doktrin, die Funktionen des Lebens voneinander zu trennen, führte in der Konsequenz aber auch zur Erfindung seelenloser Schachtel-Bauten, in denen Menschen „gestapelt“ wurden, zu Hochhäusern in tristen Trabantenstädten – es war auch die Erfindung der „Unwirtlichkeit der Städte“. Die Stadt wurde zum Funktionsraum, die Bedeutung als Lebensraum mit Plätzen, Grünflächen und gemütlichen Zonen galt nicht mehr als wichtig.

Mit Virtual Reality-Brille in moderne Welten abtauchen, das geht im Inneren des Tiny Bauhauses in Mainz. - Foto: gik
Mit Virtual Reality-Brille in moderne Welten abtauchen, das geht im Inneren des Tiny Bauhauses in Mainz. – Foto: gik

Auch in Mainz hat diese Architektur ihre Spuren hinterlassen – so etwa mit den Hochhäusern in Gonsenheim oder Marienborn. Ein Gebäude in der Bauhaus-Tradition ist aber auch das ehemalige Telegraphenamt aus dem Jahr 1929 am Münsterplatz, in dem heute eine Telekomshop untergebracht ist. Und unter anderem zu diesem Bau führt am Sonntag, den 16. Juni die Stadtführung „Mainz einmal anders“, die einen Blick auf 100 Jahre Wohnbaupolitik in Mainz wirft.

Am Montag, den 17. Juni kann man dann um 17.30 Uhr die Baustelle des neuen Römisch-Germanischen Zentralmuseums am Südbahnhof besichtigen. Den Abschluss der Woche der Baukultur macht am 25. Juni das 2. Mainzer Architekturquartett im Zentrum Baukultur mit einer Diskussion zum Thema „Bauhaus wirkt!“ Einen Ausblick darauf gibt es aber auch schon bei der Finissage des Tiny Bauhauses am 18. Juni. Wer dann noch nicht genug vom Bauhaus hat: Ab Mittwochabend laden das Gutenberg-Museum und die Fachhochschule Mainz  zur Präsentation „Albers Erben“ ins Bauhaus Labor im Kubus im Innenhof des Museums, gezeigt werden dort vom Bauhaus inspirierte grafische Animationen, Augmented-Reality-Plakate oder analoge Siebdrucke.

Im Tiny House auf der Fort Malakoff-Terrasse am Rhein geht es aber nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Fortführung von Innovationen: Mittels Virtual Reality-Brillen kann man hier entweder durch den Bauhaus-Komplex in Dessau schlendern oder in virtuelle Welten einer Alm eintauchen. Das „Innovation Lab“ der Hochschule Mainz und des Mainzer Startups Flyingshapes erlaubt auch, Objekte mit 3D-Druckern auszudrucken – und diese Technik zeigt auch neue Wege auf: „Der 3D-Drucker will nicht eckig unterwegs sein, sondern rund“, sagte der Designprofessor Klaus Teltenkötter: „Vielleicht wird also allein schon aus Budgetgründen in einigen Jahren alles rund sein.“ Es wäre auch die Überwindung des rechten Winkels der Bauhaus-Schule.

Info& auf Mainz&: Das ganze Programm und alle Informationen zur Woche der Baukultur samt Tiny Bauhaus findet Ihr hier im Internet, dort kann man sich auch für Rundgänge und Besichtigungen anmelden. Das Tiny Bauhaus ist noch bis zum 18. Juni auf der Malakoff-Terrasse zu sehen, jeden Tag von 16.00 Uhr bis 21.00 Uhr ist geöffnet. Mehr zum Bauhaus Labor im Innenhof des Gutenberg-Museums findet Ihr hier, mehr zum Bauhaus und seinem Jubiläum, könnt Ihr hier erfahren. Wer eine grundlegende Kritik des Bauhauses lesen will, wird hier fündig.

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