An diesem Abend waren sie alle Schnorreswackler: Junge, Alte, Prominente, frühere und heutige Stars – alle, alle waren am Freitagabend in die Rheingoldhalle gekommen, um einem der ganz Großen der Mainzer Fastnacht zu gratulieren. Der Gonsenheimer Carneval-Verein (GCV) wurde 125 Jahre alt. Es wurde ein Wiedersehen mit den großen Stars, und so mancher hatte dabei eine Träne im Knopfloch…. Denn auf der Bühne standen nicht weniger als Margit Sponheimer, Oliver Mager – und Tobias Mann. Nach zehn Jahren Fastnachts-Abstinenz kehrte der Profi-Kabarettist auf die Bühne „seines“ GCV zurück, es wurde eine furiose, einmalige Party.

GCV Jubiläum - Präsidenten gratulieren aus der Bütt
Gratulierten mit herrlich viel Selbstironie: MCV, MCC, KCK und Bohnebeitel – Foto: gik

Der MCV brachte zum Jubiläum ein Zugplakettcher und freute sich, der Till feierte die Gonsenheimer Gülle und der Hoppes ließ „zu dieser schweren Stund'“ die Glocken des Doms läuten – ja, der GCV wäre nicht der GCV, wenn er sein Jubiläum und sich selbst wirklich ernst nehmen würde. 1892 gründeten ein paar Gonsenheimer in der Kneipe „Zum Xaver“ einen Fastnachtsverein, verbissene Narretei hat man seither hier nicht gelernt, wohl aber große Fastnachtskunst. In Gonsenheim beherrschen sie das Lachen über sich selbst, dazu die Eulenspiegelei, den Kokolores und fetzige Musik – fertig ist das Rezept für feinste Narrenkunst.

„125 Jahre, so alt muss man erst einmal werden“, sagte der gerade frisch ins Amt gekommene GCV-Präsident Martin Krawietz und versprach, nein, ein normaler Abend werde das nicht. „Viele haben in der Zeit ihren Fußabdruck hinterlassen“, sagte Krawietz – und in der Tat: Aus Gunsenum kamen stets große Stars der Meenzer Fastnacht, allen voran die Gonsbachlerchen und Herbert Bonewitz. Doch ausgerechnet der Altmeister lag an diesem Abend mit Bronchitis im Bett, ein Jammer. Es wurde dennoch ein unvergesslicher Abend: Eine Sitzung ohne klassisches Sitzungskorsett, ohne traditionellem Ablauf, dafür mit einem gemischten Komitee und Moderatorenduo.

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Gleich zu Beginn heizten lieb gewonnene Gäste dem Saal ein: Die Musiktruppe Künzell ist seit einigen Jahren Stammgast bei der Stehung, der GCV-Fastnachts-Rock-Party, und seit vor zwei Jahren ein Trommler aus Künzell einem Gardemädchen des GCV auf offener Stehungs-Bühne einen Heiratsantrag machte, gehört man ja faktisch schon zur Familie. Mit „Major Tom“ und „1000 mal berührt“ war schnell klar: Das hier wird eine große Party.

GCV Jubiläum - Reichow und Ebling in der Bütt
Ein ganz besonderes Jubiläums-Protokoll hielten Lars Reichow und OB Michael Ebling – Foto: gik

Zum Gratulieren waren denn auch die Vertreter der drei anderen großen Fastnachtsvereine gekommen: Alexander Leber vom MCV, Friedrich Hofmann vom MCC und Hansi Greb für den KCV spielten herrlich närrisch die verkniffenen Honoratioren, die mit großer Geste Gemeinheiten von sich geben – ein herrliches Schlaglicht auf die Reibereien und Eifersüchteleien im Hintergrund. „Heute rief mich der Präsident eines großen Vereins an und sagte: Du, wir haben Krieg, sagt Facebook“, berichtete Krawietz vor der Sitzung, „wir haben sehr gelacht…“ Das tat auch das Publikum im Saal, denn einer der Gratulanten kam einfach nicht zu Wort: Helmut Schlösser von den „Bohnebeitel“ gab – mal wieder mit großer Schauspielkunst – den bodenständigen armen und ignorierten Verwandten… Großes Kino!

Noch ein anderer Bohnebeitel war zum Gratulieren gekommen: Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) begab sich höchstpersönlich in die Bütt auf der GCV-Bühne, um gemeinsam mit Kabarettist Lars Reichow ein närrisches Protokoll der Mainzer Ereignisse zu liefern. „Ans Rathaus kann ich mich nicht gewöhne“, reimte Reichow da, das sei doch nur „ein riesiger Haufen Schrott“, drum solle der OB mal ehrlich sagen: „Wann sprengen wir’s denn endlich fott?“ Nun ja, meinte der OB, „da wackelt die Wand, da bröckelt der Putz“, doch insgesamt sei doch das Rathaus „ein schöner Bau“ – und seine Sanierung werde, ganz sicher, billiger als der Bischofs-Bau von Limburg… Nun ja, so ganz kritisch kann ein OB seine eigene Politik eben doch nicht glossieren, was beweist: Es ist und bleibt eben des Narren Rolle, der Obrigkeit den Spiegel vorzuhalten.

GCV Jubiläum - Heininger Schier Entertainment
Gratulierten natürlich mit dem „Hähnchengrill“: Christian Schier und Martin Heininger – Foto: gik

Dennoch: Von ausbleibenden Marktbesuchern über den Turm des Gutenberg-Museums bis hin zur Mainzelbahn nahmen sich Reichow und Ebling die aktuellen Themen vor. Auf die quietschenden Gleise der Mainzelbahn gieße man eben Öl druff, verkündete Ebling, und „statt Altstadt-Shopping“ gebe es künftig eben „Bibel-Hopping“. Ja, die Mainzer, die haben eben für alles eine Lösung – sogar für das Mega-Problem Donald Trump. „Beim jungen Bush“ – also George W. Bush Junior – habe die Security ja damals beim Besuch alle Kanaldeckel zugeschweißt, sinnierte Ebling. Wenn man jetzt Trump einlade, dann: „Unser Plan ist, das ist kein Bluff, wenn der Trump kimmt – alle Deckel uff!“

Dann aber ging es in die Vollen: Geburtstagsständche24.de enterte die Bühne, und das konnten natürlich nur zwei sein – Martin Heininger und Christian Schier kamen mit ihrer legendären Entertainement-Nummer, der „Bratensoß‘ uff de Jack“ – und natürlich dem „Hähnchengrill“. Da gab’s kein Halten mehr im Saal. Aber die Jungs können noch viel mehr, ihre „New York, New York“-Version zum Rosenmontag ist allererste Sahne, und wenn die dann mit „Wähle 06131“ endet… Dann fehlt eigentlich nur das Original – und es kam. Ein kleiner, stark geschminkter Clown betrat ganz leise die Bühne und nahm auf dem schwarzen Flügel Platz. Das Publikum dachte sich nichts dabei – doch dann machte der Clown den Mund auf, und ein Schrei lief durch den Saal: Margit Sponheimer, das legendäre „Margittsche“, hatte zum Jubiläum eine anrührende, leise Nummer dabei.

Margit Sponheimer Clown
Ein ganz besonderer Gast mit einer ganz besonders anrührenden Nummer: Margit Sponheimer als Clown – Foto: gik

„Ihr braucht zum Fröhlichsein doch keinen Clown“, sang die Sponheimer, das wurde zu einem der großen Gänsehautmomente des Abends. Aber natürlich kam das Margittche nicht ohne ihren größten Hit von der Bühne. „Am Rosenmontag bin ich geboren“ schmetterte glückselig der Saal – auch mit ihren fast 74 Jahren ist la Sponheimer nicht nur einer der größten Narrenstars, die Mainz je hatte, sondern eine mitreißende Entertainerin. Aber sie ist ja nicht die einzige Legende: Hans Peter Betz hätte ja eigentlich als „Guddi Gutenberg“ auflaufen müssen, stattdessen zelebrierte er lieber den liebenswerten Teufel in einer weiteren legendären Nummer. Gemeinsam mit Michael Emrich und Jürgen Emig ließ er noch einmal die weinseligen Mönche aufleben, die mit dem Teufel um die Wette trinken, ganz nach dem Motto: „Im Wein liegt Wahrheit, und wer sie finden will, darf nach dem ersten Glas nicht aufgeben…“

Zur Gründungsfeier traf man sich dann noch einmal „Beim Xaver“ in Gunsenum und zelebrierte eine Ultra-Kurzfassung der großartigen Kammerspiele vom Herbst 2016 – und damit sehr elegant die Gelegenheit, alle Aktiven des GCV einmal auf die Bühne zu bekommen. Ballett, Bockius-Brüder, Beckhaus oder Fleischworschtathleten, Christoph Seib singender Wirt Brüggen oder Thomas Becker als böser Nachbar Donald Trump – der GCV zeigt ganz nonchalant im Nebensatz, was er sonst noch alles an guten Akteuren hat. „Wir sind verdammt stolz, dass wir Euch haben“, dankte Sitzungspräsident Sebastian Grom, der ganz locker als Duo mit Lea Heymann durch den Abend führte. Natürlich durften auch die Schnorreswackler, die hauseigene Gesangstruppe nicht fehlen, die zeigten mit ihrer Kurzsitzungs-Nummer schnell noch mal ihre Vielfältigkeit.

GCV Jubiläum - Oliver Mager mit Mikro zum Saal
An wen geht hier die Hommage? Oliver Mager ließ sich gerührt feiern und feierte mit seinen Hits – Foto: gik

Was aber macht den GCV so „mainzigartig“? Natürlich seine Musik: „Ich hab‘ mich verliebt…“ sang einer, der zum GCV gehört wie der wackelnde Schnorres: Oliver Mager nahm fürs Jubiläum eine Auszeit von seinem Fastnachts-Rücktritt, und es war, als wäre er nie weggewesen. Geschlossen stand der Saal, sang jede Zeile mit, schunkelte, rockte, egal ob zu „Boing, Boing“ oder bei „Konfetti in der Blutbahn“. Die rote Nase hatte Mager weggelassen, aber die „mainzigartige“ GCV-Stimmung hatte ihn schnell wieder – am Ende funkelten Tränen im Auge, und so mancher im Saal dürfte sich gedacht haben: Komm wieder, Mensch, hier gehörst du doch hin!

„Wo simmer steh’n geblieben?!“ rief noch einer in den Saal, der vor langer Zeit schon abgetreten war: Zehn Jahre ist es her, dass Tobias Mann auf einer Fastnachtsbühne gestanden hat. Inzwischen mischt der Mann als Profi-Kabarettist die Szene auf und bekommt in diesem Jahr gar den Deutschen Kleinkunstpreis für sein Hochgeschwindigkeitskabarett verliehen. Er sei ja doch einiges älter und grauer, bekannte der mittlerweile 40-Jährige, und Vater sei er auch: „Wenn Du mich heute Nacht weckst, dann wickel‘ ich Dich.“ Und dann zeigte der Mann, warum er einer der ganz großen Fastnachtsstars von Mainz war, rockte die Bühne und den Saal mit „Ei gude wie“ und „Komm doch einfach nach Mainz.“

GCV Jubiläum - Tobias Mann nah
Rückkehr auf die Bühne, wo alles begann: Tobias Mann nach zehn Jahren wieder beim GCV – Foto: gik

„Ich habe beim GCV viel gelernt, mehr als in der Schule“, bekannte „der Toby“, und staunte selbst ob der Kulisse von 2.500 begeisterten Fans im Saal. Ohne Zugabe ging das nicht, die Hymne, wie man ein Mainzer wird, durfte einfach nicht fehlen: „Sieben Schoppe musst Du übersteh’n, sieben Mal zu den Nullfünfern geh’n“. Dabei hätte sich der Saal gar nicht so anstrengen müssen: Kaum war „der Toby“ von der Bühne, kam er auch schon wieder – in einer von sechs Mülltonnen. Aca & Pella gaben zum Jubiläum noch einmal die legendäre Mülltonnen-Helau-Nummer, die sie einst auf die Fernsehbühne bei „Mainz bleibt Mainz“ katapultierte. „Es war immer was los in der Tonne“, rekapitulierte Mann, und dann gab es improvisierte Standup-Comedy vom feinsten, garniert mit alten Aca & Pella-Hits – ganz großes Fastnachtskino.

Dass die Jubiläumssitzung da mittlerweile völlig aus dem Zeitplan lief – total egal. „Es war surreal, sie hier auf der Bühne zu sehen“, staunte Sitzungspräsident Grom, und ja, auch der Toby hatte ein, zwei Tränen in den Augen… Einmalig sei das Erlebnis gewesen, versicherte Mann hinterher Mainz&, und leider meinte er das in jeder Hinsicht wörtlich.  „Wir feiern, bis ein jeder Schnorres wackelt!“ rief Tobias Mann noch in den Saal – und genau das taten die Gonsenheimer dann auch. Dem großen Finale folgte die große Party bis in die Morgenstunden im Foyer der Rheingoldhalle. Was bleibt, ist das größte Schnorres-Selfie der Welt: 1.200 Gäste im Saal posierten mit kleinen Schnurrbärten – das ist Schnorreswackler-Selfie-Weltrekord!

Info& auf Mainz&: Das Original-Schnorreswackler-Selfie zum Weltrekord findet Ihr hier bei Facebook, den GCV im Internet gibt es hier. Und unsere Fotogalerie zur Jubiläumssitzung natürlich hier:

 

 

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