Die Coronapandemie breitet sich weltweit massiv weiter aus, Deutschland ging vor zwei Wochen in den Shutdown, um eine Ausbreitung des hochaggressiven Virus zu unterbinden – und trotzdem landen am Frankfurt Flughafen weiter Maschinen auch aus hochbetroffenen Zonen wie Mailand, Madrid oder London. Die Mainzer Initiative gegen Fluglärm schlug nun Alarm: Die Passagiere müssten sich nach der Ankunft in Deutschland aber nicht in Quarantäne begeben, sondern könnten „das Virus ungebremst weiter verbreiten“, kritisiert die IKUL – der Frankfurter Flughafen bestätigt das auf Mainz&-Anfrage: Es gebe keine Anordnung der Gesundheitsbehörden für generelle Gesundheitschecks. Zumindest bei der Quarantäne will der Bund nun wohl nachbessern.

Startende Maschine am Frankfurter Flughafen - noch immer gibt es hier Flüge aus Hochrisikoregionen der Coronapandemie. - Foto: gik
Startende Maschine am Frankfurter Flughafen – noch immer gibt es hier Flüge aus Hochrisikoregionen der Coronapandemie. – Foto: gik

Die Maschine aus London-Heathrow landet um 18.47 Uhr, der Flieger aus Madrid ist gerade im Anflug – im Flugplan am Frankfurter Flughafen stehen weiter täglich Verbindungen aus Hochrisikogebieten der Coronapandemie. „Es finden täglich mehrere Flüge aus sogenannten Corona-Hotspots wie London, Madrid, Mailand, New York und New Orleans statt, teilweise verbunden mit einem Umsteigen in weitere Corona-Hotspots“, berichtet Lars Nevian vom Vorstand der Mainzer Initiative Klima-, Umwelt- und Lärmschutz im Luftverkehr (IKUL). Vergangene Woche landeten auch noch Maschinen aus dem Iran, ein land, in dem die Coronapandemie überhaupt nicht unter Kontrolle ist.

Die Mainzer Fluglärmgegner kritisieren nun: Die Passagiere müssten sich nach der Ankunft in Deutschland aber nicht etwa in Quarantäne begeben, sondern könnten „das Virus ungebremst weiter verbreiten“, heißt es in einem Brief an den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags, Cem Özdemir (Grüne). Das konterkariere aber doch die Maßnahmen zur Virusbekämpfung „in besonders verantwortungsloser Weise“, kritisiert die IKUL: Es sei doch „offensichtlich, dass diese Flüge nicht dem Rückholen ‚gestrandeter Urlauber‘ dienen, sondern aus reinem Profitstreben ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Passagiere, der Crew und den in Deutschland und Europa lebenden Menschen durchgeführt werden.“

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„Uns erreichen zudem täglich Mitteilungen von Menschen, die weiterhin am Frankfurter Flughafen arbeiten, aber ohne nennenswerte Schutzmaßnahmen“, kritisiert die Fluglärm-BI weiter, und fordert Özdemir auf, für einen sofortigen Stopp von Flügen in die Regionen zu sorgen, von denen eine Virus-Gefahr ausgehe.

Flugplan am Frankfurter Flughafen am Montag, 6.4.2020. - Screenshot: gik
Flugplan am Frankfurter Flughafen am Montag, 6.4.2020. – Screenshot: gik

Beim Flughafen-Betreiber Fraport bestätigt man, dass es weiter Flüge in die genannten Regionen gibt – und verweist auf Luftverkehrsabkommen mit diesen Ländern. „Solange es diese Verträge gibt, dürfen wir keinen Flug ablehnen“, sagt Fraport-Sprecher Alexander Zell auf Mainz&-Anfrage, auch gebe es staatlich vereinbarte Landerechte, und „solange ein Land eine Fluggenehmigung hat, fertigen wir diese Maschinen ab.“ Allerdings sei der Flugplan am Frankfurter Flughafen massiv zusammengestrichen worden, betont Zell – tatsächlich finden derzeit nur etwa zehn Prozent des sonst üblichen Passagierverkehrs statt.

Nach Angaben der Deutschen Flugsicherung vom Donnerstag wurden am 31. März im deutschen Luftraum nur noch 1.341 Flüge kontrolliert – 84,7 Prozent weniger als am vergleichbaren Tag des Vorjahres. „Wir reden von einzelnen Maschinen, das sind keine routinemäßigen Verbindungen mehr“, sagt Zell. Mit den noch eintreffenden iranischen und asiatischen Maschinen kämen ja auch immer noch Deutsche mit, und diese müssten einreisen dürfen.

Einen medizinischen Check aller Passagiere gebe es aber nicht, bestätigt Zell: „Das können wir als Flughafenbetreiber nicht anordnen, aber weder von Seiten des Gesundheitsamtes Frankfurt noch vom Gesundheitsministerium liegt uns eine solche Anordnung vor.“ Der Flughafen dürfe als Betreiber der Infrastruktur solche Kontrollen auch gar nicht selbst durchführen, betont Zell zudem: „Das wäre ein Eingriff in die persönlichen Rechte, wir können das nicht tun und wir dürfen das nicht tun.“ Der Infektionsschutz sei Sache der Gesundheitsbehörden und müsse von diesen angeordnet und durchgeführt werden.

Am Frankfurter Flughafen kommen weiter Maschinen aus Risikozonen der Coronapandemie an - ohne Gesundheitschecks. - Foto: Fraport
Am Frankfurter Flughafen kommen weiter Maschinen aus Risikozonen der Coronapandemie an – ohne Gesundheitschecks. – Foto: Fraport

Im zuständigen Hessischen Gesundheitsministerium verweist man auf die Internationalen Gesundheitsvorschriften, die für alle Großflughäfen gelten. Danach muss bereits seit Beginn der Pandemie ein Pilot vor der Landung eine sogenannte Clearingmeldung abgeben, ob es an Bord seiner Maschine erkrankte Personen gibt. Melde der Pilot einen oder mehrere Erkrankte, werde das Gesundheitsamt informiert und untersuche die Passagiere. „Meldet der Pilot keine Erkrankten im Flieger, können die Passagiere normal von Bord gehen“, sagt die Sprecherin des Hessischen Gesundheitsministeriums, Alice Engel, auf Mainz&-Nachfrage.

Das Verfahren sei mit dem Bund und dem Robert-Koch-Institut abgestimmt, Änderungen derzeit nicht geplant, sagte Engel weiter. Der Einsatz eines sogenannten „Entry-Screenings“ mittels Fiebermessung sei durchaus erwogen worden, man habe sich aber dagegen entschieden. „Der Einsatz ist sehr aufwändig und erfordert, fachgerecht durchgeführt, einen hohen Personalaufwand an qualifizierten Personen“, betont Engel. Dem stehe aber eine sehr geringe Erfolgsquote gegenüber: Als man zuletzt die Fiebermethode 2009 bei der Schweinegrippe angewendet habe, seien so nur sehr wenige erkrankte Personen ausfindig gemacht worden. Die Lungenkrankheit COVID-19 werde dazu oft schon von noch symptomfreien Personen übertragen.

„Selbst wenn man die Leute untersucht und testet, ist das nur eine Momentaufnahme“, sagt auch die Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums, Doris Berve-Schucht, auf Anfrage dieser Zeitung – eine hundertprozentige Sicherheit biete so ein Screening nicht. In Hessen verweist man zudem darauf, dass bei vielen Fliegern aus Ländern wie Iran die Passagiere gar nicht nach Deutschland einreisen, sondern lediglich umsteigen. „Die Flieger müssen ja auch mal tanken“, gibt die Sprecherin zu bedenken.

Leere Abflughallen am Frankfurter Flughafen zurzeit - das Bild entstand vor der Coronakrise. - Foto: gik
Leere Abflughallen am Frankfurter Flughafen zurzeit – das Bild entstand vor der Coronakrise. – Foto: gik

Inzwischen kommt aber Bewegung in die Sache: Das Bundesinnenministerium untersagte Ende vergangener Woche mit sofortiger Wirkung Flüge aus dem Iran nach Deutschland, auf der Grundlage des neuen Infektionsschutzgesetzes. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich erleichtert: „Wir legen uns in Deutschland in der Epidemie scharfe Beschränkungen auf, da können wir Flüge aus diesem Hochrisikogebiet nicht zulassen.“ Flüge aus schwer betroffenen Ländern wie Madrid und Mailand gibt es aber weiter, dazu erklärte das Robert-Koch-Institut (RKI) am Montag die ganze Welt zum Hochrisikogebiet – sichere Regionen gibt es nun nicht mehr.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte am Montag an, Rückkehrer aus dem Ausland sollten sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben – egal, aus welchem Land sie gekommen sind. Die Regelung soll wohl ab Ende der Woche gelten, ein genaues Datum nannte Merkel zunächst nicht.

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