Mainz hat es schon aufgegeben bekommen, Frankfurt ebenso – am 19. Dezember könnte Wiesbaden folgen: Auch der hessischen Landeshauptstadt drohen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Zur Abwehr entfaltete der noch vergleichsweise neue Umweltdezernent Andreas Kowol (Grüne) in den vergangenen Wochen gleich ein ganzes Feuerwerk von Maßnahmen zur Umstrukturierung des Verkehrs in Wiesbaden: weg vom Auto, hin zu ÖPNV und Radverkehr. Umweltspur, Vorrang für Busse, neue Radwege und Protected Bike Lanes – Wiesbaden macht mobil für die Verkehrswende. Am Freitag konnten Stadt und Verkehrsbetriebe ESWE stolz den Eingang eines Förderbescheids verkünden: 14,5 Millionen Euro vom Bund, das soll für 56 neue Elektrobusse reichen – die ersten sollen schon 2019 durch Wiesbaden rollen.

ESWE Bus der Linie 45 - Foto: ESWE-Verkehr
Auf der Linie 1 könnten schon 2019 die ersten E-Busse rollen, wenn es nach Stadt Wiesbaden und ESWE Verkehr geht. – Foto: ESWE Verkehr

Damit behält Wiesbaden sein hohes Tempo in Sachen Umbau bei: Vor zwei Jahren hatte die Stadt verkündet, als erste Kommune bundesweit schon bis 2020 seinen Öffentlichen Nahverkehr komplett emissionsfrei betreiben zu wollen. „Vor zwei Jahren wurde ESWE Verkehr für seine Vision noch belächelt – heute schaut man andernorts anerkennend bis neidvoll nach Wiesbaden“, sagte Kowol am Freitag. Es zahle sich jetzt aus, dass die Stadt so früh die Weichen gestellt habe. Der Weg ist allerdings auch für Wiesbaden noch weit, auch jenseits des Rheins liegen die Werte für das Reizgas Stickoxid weiter mit 48 bis 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft weit über dem erlaubten Grenzwert von 40 Mikrogramm.

Am Freitag verkündete die Stadt stolz den Eingang des ersten Förderbescheids: Mit 14,5 Millionen Euro aus dem Bundesumweltministerium sei die Anschaffung der ersten 56 Elektrobusse gesichert. 220 Busse fahren derzeit durch Wiesbaden, oft blockieren sich die Mammutgefährte gegenseitig in der engen City – ein Grund, warum Wiesbaden auf die Citybahn zwischen Wiesbaden und Mainz setzt. Doch das Projekt stockt, im September votierte die einflussreiche Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer mit großer Mehrheit gegen das Projekt, Kowol selbst sagte danach, die Citybahn sei „noch nicht entscheidungsreif.“ 

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Das Projekt Citybahn stockt derzeit. – Foto: ESWE Verkehr

Umso mehr treibt Wiesbaden nun die Umrüstung der Busflotte auf E-Busse voran. „Unsere Vision vom emissionsfreien öffentlichen Nahverkehr hat mit dieser Förderung auf dem Weg zur Realisierung eine entscheidende Hürde genommen“, freute sich Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD). Schon 2019 könnten damit die ersten Elektrobusse durch Wiesbaden rollen. Ausgemustert werden sollen denn auch gleich die ältesten Dieselbusse, die Stadt hofft auf eine deutliche Minderung des Stickoxidausstoßes: Für die Vermeidung eines Diesel-Fahrverbots „ist der heutige Tag ein Meilenstein“, sagte Umweltdezernent Andreas Kowol (Grüne).

Die Stadt will mit der ersten Runde E-Busse gleich mal mehr als 30.000 Tonnen Stickoxide einsparen, dazu mehr als 3,78 Tonnen CO2 und 512 Kilogramm Feinstaub, auch der Lärm soll deutlich sinken. Die Elektrobusse sollen eine Reichweite von 200 Kilometern haben, und das unabhängig von Temperatur und Topographie – das ist ambitioniert. Die Stadt war denn auch prompt mit ihrem Megavorhaben auf Probleme gestoßen und hatte im Sommer ihre Ausschreibung ändern müssen. 55 Elektrobusse pro Jahr wollte die Stadt anschaffen, ob das klappt, ist unklar – die Hersteller können diese Mengen kaum liefern.

Neue „Umweltspur“ auf dem ersten Ring: Eine Busspur, die auch Radfahrer nutzen dürfen. – Foto: Stadt Wiesbaden

Nun heißt es, der erste mögliche Förderzeitraum beschränke sich auf 120 Solo- und 20 Gelenkbusse, die Bewerbung wurde zudem für weitere Anbieter geöffnet. Mitte Dezember wolle man die letzten Bietergespräche führen, im ersten Quartal 2019 den Auftrag für E-Busse vergeben, hieß es am Freitag. Die ersten Elektrofahrzeuge könnten dann vielleicht auf der Linie 1 rollen. Auch ansonsten versucht die Stadt, im Vorfeld des Gerichtsverfahrens möglichst viele Akzente zu setzen: Ende November startete sie eine „Busbeschleunigungs-Offensive“ mit veränderten Ampelschaltungen und geänderten Verkehrsführungen.

„Die meisten Verspätungen häufen die Wiesbadener Busse und die Regionalbusse bei der Fahrt durch die Innenstadt an“, sagte Kowol, genau dort greife die neue Offensive. Ziel sei, dass die Busse weniger im Stau stehen, Verspätungen so reduziert und Fahrpläne unabhängig vom Verkehr eingehalten werden könnten. Schneller ans Ziel, weniger Staus, das bessere Erreichen von Anschlüssen „und eine gleichmäßigere Fahrgastbesetzung machen den ÖPNV in Wiesbaden deutlich attraktiver“, betonte der Dezernent im November – die Maßnahmen sollten schon im Advent zum Weihnachtsshopping greifen.

Gleichzeitig erhöhte die Stadt die Gebühren für das Parken auf der Straße deutlich: Seit Ende November müssen Autofahrer im Schnitt 25 Prozent mehr an den Parkscheinautomaten zahlen, die teure Tarif-Kernzone wurde zudem ausgedehnt. All das ist Teil des Sofortpakets zur Luftreinhaltung, um ein drohendes Dieselfahrverbot abzuwenden. Dazu gehört auch, dass Elektroautos künftig von Parkgebühren komplett befreit werden sollen, schon jetzt können sie an 20 innerstädtischen Standorten mit jeweils zwei Parkplätzen von 8.00 bis Uhr 20.00 Uhr bis zu zwei Stunden mit Parkscheibe parken, nachts sogar unbegrenzt. Noch bis Jahresende kann man dort sogar gratis Ökostrom der ESWE tanken, ab 2019 wird dieser Service kostenpflichtig.

Explizites Ziel sei es, für Wege in die Innenstadt alternative Verkehrsmittel wie Bus, Rad- und Fußverkehr attraktiver zu machen, sagte Kowol. Wiesbaden habe vier neue, attraktive Tiefgaragen, es bestehe deshalb „kein Grund“, dass der wertvolle Platz im öffentlichen Straßenraum von parkenden Autos genutzt werde.

Protected Bike Lane in Wiesbaden: Der Radweg wird durch Blockadeelemente aus Plastik abgetrennt. Die Stadt will so Radfahrer vor Falschparkern auf Radwegen schützen und die Sicherheit erhöhen. – Foto: Stadt Wiesbaden

Und auch sonst müssen die Autos Platz abgeben: Auf dem ersten Ring wurde ab dem Sedanplatz eine „Umweltspur“ eingerichtet – für die Autofahrer steht hier jetzt nur noch eine Fahrspur zur Verfügung. Die Umweltspur soll nicht nur Bussen Vorrang gewähren, auch Radfahrer dürfen sie nutzen – die Spur sei ein wichtiger Baustein für das Rad-Grundnetz 2020, sagte Kowol. Wiesbaden hat den Ausbau seines Radwegenetzes nötig: Die Stadt liegt bundesweit bei der Fahrradattraktivität auf dem letzten Platz. Man habe beim Radverkehr Nachholbedarf, räumt auch Kowol ein.

Das Rad-Grundnetz 2020 sieht vor, den gesamten ersten Ring mit einer sicheren Radverkehrsverbindung auszustatten. Entlang der Äppelallee entstand eine 2,3 Kilometer lange neue Radwegeverbindung, es wurden Radschutzstreifen angelegt, Gehwege für Radfahrer verbreitert und neue Querungen angelegt. In der Taunusstraße, der Bahnhofstraße und der Schwalbacher Straße testet die Stadt zudem seit Mitte November die Abtrennung von Radwegen durch 15 Zentimeter hohe, rot-weiße Schutzbordsteine aus Plastik – die „Protected Bike Lanes“ sollen die Radstreifen vor Falschparkern schützen und das Radfahren sicherer machen. Allerdings wurden sie in den ersten Tagen bereits mehrfach ignoriert und beschädigt.

Parallel zu den gesamten Maßnahmen führte die Stadt auch ein Jobticket für die städtischen Beschäftigten ein – kostenfrei für die Nutzer. Das kostenfreie Jobticket sei „ein Baustein für die Stärkung der Attraktivität der Stadtverwaltung und ihrer Eigenbetriebe“, sagte Oberbürgermeister Gerich, der sich 2019 zur Wiederwahl als OB stellt. Ein Jobticket gibt es in Wiesbaden zwar schon seit dem Jahr 2000, bislang mussten die Mitarbeiter aber einen Eigenanteil von 37 Prozent zahlen. Nun habe der Rhein-Main-Verkehrsverbund der Stadt Wiesbaden das Angebot für ein erweitertes Premium-Jobticket gemacht, hieß es im November – prompt strich die Stadt zum 1.1.2019 den Eigenanteil komplett.

Info& auf Mainz&: Die Vision der Wiesbadener von einem Null-Emissionen-ÖPNV findet Ihr hier bei Mainz&, die Probleme mit der Citybahn in diesem Mainz&-Artikel. Derweil muss Mainz Dieselfahrverbote vorbereiten – mehr dazu lest Ihr gleich auf Mainz&.

 

 

 

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