Nach der Ankündigung von Mainz, kein Fahrverbot zum 1. September einführen zu wollen, reagiert die Deutsche Umwelthilfe skeptisch-kritisch: „Ein Verzicht auf Diesel-Fahrverbote ist rechtswidrig“, sagte DUH-Anwalt Remo Klinger auf Anfrage von Mainz&: „Fahrverbote müssen kommen, wenn man mit anderen Maßnahmen den Grenzwert nicht einhalten kann.“ Ob das konkret neue Klagen und Gerichtsverfahren gegen die Stadt bedeutet, dazu äußerte sich die Umwelthilfe aber erst einmal nicht. Man werde die Situation in Mainz genau prüfen, hieß es weiter. Unterdessen begrüßten Politiker quer durch alle Parteien die Entscheidung gegen ein Diesel-Fahrverbot. Die Mainzer CDU und ihr OB-Kandidat Nino Haase forderten aber deutlich „mehr Handeln statt reden“: Es brauche mehr Radwege und einen deutlich attraktiveren ÖPNV.

Umwelt- und Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) präsentierte am Donnerstag die Entwicklung der Stickoxidwerte in Mainz. – Foto: gik

Die Stadt Mainz hatte am Donnerstag die Ergebnisse der Stickoxid-Messungen des ersten Halbjahrs 2019 präsentiert: Danach reißt Mainz mit einem Durchschnittswert von 42 Mikrogramm noch immer den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Trotzdem verkündete Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne), sie werde vorerst kein Fahrverbot zum 1. September verhängen, denn Mainz habe geschafft, die Stickoxidwerte binnen eines Jahres um ganze fünf Mikrogramm zu senken. Man rechne damit, dass die Werte weiter sinken werden, betonte Eder zudem, die Stadt werde noch ein ganzes Maßnahmenbündel umsetzen – mehr dazu hier bei Mainz&.

Die Stadt rechnet nun selbst mit neuen Klagen der Deutschen Umwelthilfe, die schimpfte zunächst nur, ein Verzicht auf Fahrverbote sei rechtswidrig – und nahm erneut die Passivsammler in den Fokus: „Die Stadt Mainz misst offensichtlich nicht dort, wo immer noch die höchsten NO2-Belastungen auftreten, nämlich vor allem an der Rheinstraße“, kritisierte DUH-Anwalt Klinger – in der Rheinstraße hatte es bei allen zwei Passivsammlern deutliche Überschreitungen des Stickoxid-Grenzwertes gegeben. Die Stadt argumentiert, drei davon seien nicht entsprechend der Bundesemissionsschutzverordnung aufgehängt und dürften deshalb für den Grenzwert nicht berücksichtigt werden.

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Die Rheinstraße in Mainz in Höhe der Fachhochschule. - Foto: gik
Die Rheinstraße wird mit der immer größeren Konzentration des Verkehrs auf dieser Achse allmählich zum Problemkind der Stadt Mainz. – Foto: gik

Klinger forderte hingegen, wenn die Passivsammler falsch hingen, müssten sie eben richtig aufgestellt werden, die DUH werde gegebenenfalls „die rechtlichen Konsequenzen daraus ziehen.“ Die Grenzwertüberschreitung sei „nicht länger hinnehmbar, zumal sie nun schon fast zehn Jahre andauert“, unterstrich Klinger.

Das Landesamt für Umwelt hatte am Donnerstag erklärt, die Passivsammler seien vor fünf bis sechs Jahren mit einem anderen Ziel aufgehängt worden, sie sollten nicht die Einhaltung des Stickoxid-Grenzwertes überwachen. So hänge etwa der Passivsammler an der Fachhochschule in Auspuffhöhe, hier wurden im Halbjahresmittel 47 Mikrogramm Stickoxide gemessen. Auch bei einem weiteren Passivsammler auf der Rheinachse, Höhe Kaiserstraße, wurden noch immer 43 Mikrogramm Stickoxide gemessen – und dieser ist korrekt installiert.

Dietz: „Unsinnige Störmanöver unterlassen“

Derweil begrüßte die Mainzer FDP den verzicht auf Fahrverbote: Angesichts einer Absenkung von fünf Mikrogramm wäre ein Fahrverbot „absolut nicht verhältnismäßig“, betonte FDP Fraktionschef David Dietz. Zugleich forderte er die Deutsche Umwelthilfe auf, „die Maßnahmen der Stadt Mainz anzuerkennen und die unsinnigen Störmanöver zu unterlassen.“ Auch die rheinland-pfälzische AfD begrüßte den Verzicht auf Fahrverbote, betonte zugleich aber, durch eine Anhebung der Grenzwerte und eine bessere Positionierung der Messstationen, „hätte man die gesamte Debatte auch in Mainz schon sehr früh beenden können.“

Den Ausbau der Mainzer Radwege fordern inzwischen alle Parteien – noch allerdings hapert es gewaltig, sind Radwege wie hier in der Oberstadt gesperrt oder enden im Nichts. – Foto: gik

Eder hatte allerdings auch angekündigt, der Verzicht auf ein Dieselfahrverbot sei nur ein vorläufiger: Sänken die Werte nicht, wie erwartet, weiter, werde ein Fahrverbot dennoch kommen. Unter Experten ist umstritten, ob die Steigerung des Radverkehrs etwa tatsächliche Auswirkungen auf die Stickoxidwerte hat, die Richterin am Verwaltungsgericht hatte das ausdrücklich bezweifelt.

Tabea Rößner: Mainz verschafft sich Luft

„Mainz verschafft sich Luft“, kommentierte die OB-Kandidatin der Grünen, Tabea Rößner, es sei zu begrüßen, dass ein Fahrverbot habe abgewendet werden können. „Auch wenn die NO2-Werte den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter noch überschreiten, zeigen die umfassenden Maßnahmen der Stadt Wirkung“, sagte Rößner. Dank grüner Politik sei es gelungen, die Stickoxid-Belastung in Mainz weiter zu senken, „damit haben wir den Mainzern Luft verschafft.“ Das genüge aber nicht, unterstrich Rößner: „Wir müssen in der Stadtplanung ganzheitlich denken“, forderte sie: „Wenn wir Mainz in den Schwitzkasten nehmen, leidet das Klima in der Stadt und die Schadstoffwerte steigen an.“ Die Nutzung von Nahverkehr und Rad müsse noch attraktiver werden, damit steige auch die Lebensqualität in der Stadt.

Nino Haase: Handeln statt Reden

Ein attraktiver ÖPNV mit deutlich besser Taktung muss her. – Foto: gik

Der OB-Kandidat von CDU, ÖDP und Freien Wählern, Nino Haase, kritisierte unterdessen, Mainz brauche „keine Verbote, sondern mehr Alternativen – da ist in Mainz leider zu wenig geschehen.“ Ein Fahrverbot „wäre der falsche Schritt gewesen, Betrügereien der Industrie dürfen nicht auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen werden“, betonte Haase in einem Facebook-Post, die Mainzer bräuchten aber endlich mehr Alternativen in Sachen Mobilität. „Die Radfahrquote soll hoch? Dann muss man irgendwann auch mal anfangen, Radwege zu bauen“, sagte Haase. Wer die Menschen mit mehr ÖPNV in die Innenstadt bringen wolle, müsse das Umland mit neuen Linien oder auch mit Park an Ride-Plätzen effektiver anbinden. „Weniger drüber reden und mehr machen wäre nun wichtig“, betonte Haase – mehr zu den Vorstellungen des OB-Kandidaten zum Thema Verkehr und insbesondere zum Thema Rad lest Ihr heute Vormittag auf Mainz&.

Sabine Flegel: Stadt muss mehr Gas geben

„Die Stadt muss mehr Gas geben“, sagte auch die Mainzer CDU-Chefin Sabine Flegel, die Stadt habe viel zu spät begonnen umzusteuern. „Wir sind froh, dass es nicht zu einem Dieselfahrverbot kommt“, betonte Flegel auf Mainz&-Anfrage, „die Reduzierung der Werte ist ein erster Schritt und aller Ehren Wert, aber es reicht eben nicht aus.“ Als Beispiel nannte sie das Lkw-Fahrverbot auf der Rheinallee: „Jahrelang wurde ein Lkw-Fahrverbot gefordert, immer hieß es, es geht nicht“, sagte Flegel, die Grünen könnten sich da nicht wegducken.

Bus statt Auto – Mainz muss noch deutlich mehr umsteuern. – Foto: gik

„Man muss weiter und größer denken und Perspektiven für die Bürger aufzeigen“, forderte Flegel. Mainz sei nun einmal Metropolregion mit viel Durchgangsverkehr, das müsse endlich umfassend analysiert werden. „Die Weitsicht, Perspektiven aufzuzeigen für eine wachsende Stadt, die erwarte ich von der Stadt und der zuständigen Dezernentin“, betonte sie. Ein großer Auftrag für die Zukunft sei die Verbesserung des ÖPNV, dieser müsse deutlich zuverlässiger werden und eine attraktive Taktung erhalten. Ein Bus alle 30 oder 30 Minuten, „das ist einfach nicht mehr zeitgemäß“, betonte Flegel, auch über eine Ringlinie zwischen den Stadtteilen müsse dringend nachgedacht werden.

„Wir vermissen, dass sich Mainz nie mit der Umwelthilfe abgesprochen hat – im Gegensatz zu Wiesbaden“, sagte Flegel zudem – Eder hatte am Donnerstag berichtet,entsprechende Vorstöße von ihrer Seite hätten nie in einem Gesprächstermin gemündet. Dass Eder nun im Alleingang auf ein Fahrverbot verzichte, sei „ein gewagtes Unterfangen“, sagte Flegel: „Frau Eder fährt da einen heißen Reifen.“

Info& auf Mainz&: Alles zu den Stickoxid-Werten im ersten Halbjahr 2019 und der Argumentation der Stadt Mainz lest Ihr hier bei Mainz&.

 

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