Es ist erst Mitte August – und schon sind die ersten Winzer in die Weinlese 2017 gestartet. Noch früher als in den vergangenen Jahren hat am Mittwoch in Neustadt an der Weinstraße offiziell die Lese der frühen Trauben begonnen. Ortega und Solaris werden traditionell zu Federweißer verarbeitet, auch in Rheinhessen begannen die ersten Winzer mit dem Einholen der Trauben. Es ist eine schwierige Lese nach einem turbulenten Wetterjahr: Ende April erwischten außergewöhnlich späte Nachtfröste Winzer und Weinberge eiskalt, zuletzt machten Unwetter, Hagel und Regenfluten den Winzern zu schaffen. Nun drohen Essigfliegen und Fäulnis den Trauben zuzusetzen – es droht eine Turbolese wie zuletzt 2014. Weinexperten rechnen denn auch mit einer deutlich geringeren Ernte als 2016: Rund zehn Prozent weniger Wein dürfte in diesem Jahr in die Flaschen kommen.

Winzer Ulrich Allendorf in Sorge um seine Weinernte: Der Frühburgunder muss nach einem Hagelschaden in einer Notlese geerntet werden. – Foto: gik

„Hagel! Heute Nacht um 2.30 Uhr hat es uns erwischt“, schrieb Winzer Ulrich Allendorf am 1. August auf seiner Facebook-Seite. Ein schweres Unwetter hatte in der Nacht die Weinberge im mittleren Rheingau heimgesucht, auch in Rheinhessen war stellenweise Land unter. Zwei Wochen später beginnen sie im Winkeler Weingut Allendorf nun schon mit der Weinlese: „Wir holen jetzt schon den Frühburgunder rein“, sagt Allendorf, „das ist eine echte Notlese.“

Mehr als eine Woche früher als 2016 starten die Winzer 2017 in die Weinlese, es ist eine der frühesten Ernten aller Zeiten. 2014 startete die Weinlese bereits am 8. August, das galt damals schon als frühester, jemals erlebter Start. Altgediente Winzer erzählen noch von Weinlesen, die nicht vor Ende September begannen und sich bis weit in den Oktober hinein zogen – der Klimawandel verändert derzeit Reifeabläufe und Reifezeitpunkt schneller, als vielen lieb ist. Dass Topwinzer wie Allendorf schon im August die ersten Rotweintrauben lesen, ist normalerweise undenkbar: Mit dem Beginn der eigentlichen Weinlese wird nicht vor September gerechnet.

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Zwei kleine Lesehelfer beim offiziellen Lesestart für den Federweißer am Mittwoch in Neustadt an der Weinstraße- – Foto: DWI

 

Doch es ist kein normales Weinjahr: Erst ließ ein ungewöhnlich warmes Frühjahr mit Temperaturen von 25 Grad die Reben sehr früh austreiben, dann schockten späte Nachtfröste Ende April die Landwirte. „Angesagt waren minus ein Grad, es kamen minus sieben“, berichtete Thomas Schätzel vom Selzener Weingut Kapellenhof damals Mainz&, rund 40 Prozent betrage der Schaden in seinem Betrieb. Bis zu 80 Prozent waren es in manchen Weinbergen im Rheingau, „bei minus 4 Grad in Winkel und bis zu minus 6 Grad in Assmannshausen waren wir leider machtlos im Kampf gegen den Spätfrost“, schrieb Allendorf damals. Der Frost erwischte gerade die neuen Triebe an den Rebstöcken, die besonders jung, frisch und weich sind – und voller Saft.

Der Sommer dann ließ die Winzer eigentlich aufatmen: Eine frühe Rebblüte und danach viel Sonne und Wärme sorgten für eine Aufholjagd in den Weinbergen, die Rebstöcke standen wunderbar, alles schien gut. Doch dann kamen die heftigen Regenfälle, dann die Unwetter: „Was nicht Frost hatte, wurde jetzt vom Hagel erwischt“, sagt Allendorf frustriert. Das Deutsche Weininstitut rechnet deshalb mit zehn Prozent weniger Wein in diesem Herbst – und das, obwohl die deutschen Spitzenwinzer schon jetzt zu wenig Wein haben.

In den Weinbergen ist jetzt Handarbeit und Fingerspitzengefühl gefragt: Den Winzern droht nach viel Feuchtigkeit eine Turbolese. – Foto: DWI

Nun treibt die Feuchtigkeit den Winzern neue Sorgenfalten in die Gesichter: „Die Beschädigungen trocknen nicht ab“, erklärt Allendorf, das sei „eine offene Flanke“ für Pilze und Fliegen. „Es gibt so viele Pilze im Wald, das ist kein gutes Zeichen“, sagt auch Rheingau-Winzer Gerd Groß vom Weingut Goldatzel. Viele Pilze sind ein Zeichen für viel Feuchtigkeit, viel Regen lässt aber die Trauben aufquellen, dadurch sinkt auch die Konzentration der Aromastoffe im Saft. „Es besteht die Gefahr, dass sich die dicken Trauben gegenseitig abdrücken und aufplatzen, dann droht Fäulnis“, sagt der Rheingauer Weinbaupräsident Hans-Peter Seyffardt, schon jetzt sei die Edelfäule Botrytis ein Thema.

 

„Es sind schwierige Bedingungen dieses Jahr“, sagt Seyffardt, manch einem Winzer drohe eine Turbolese, um die Trauben vor der Feuchtigkeit zu retten. „Die ständigen Tiefdruckwetterlagen müssen aufhören“, sagt auch Hans Reiner Schultz, Präsident der Weinbauuni Geisenheim – die Weinberge bräuchten nun einen trockenen und warmen Spätsommer. „Die nächsten Wochen sind entscheidend dafür, wie der Jahrgang wird“, sagt Schulz, denn noch sei „nichts verloren“: Bei den Mostgewichten liege man vor 2016, eigentlich ein Zeichen für hohe Reife.

„Es kann noch immer ein Top-Jahr werden“, sagt Schultz, und auch bei Allendorf haben sie keineswegs aufgegeben: „Der Frühburgunder hat jetzt schon 70 Grad Oechsle“, sagt Allendorf, „wir haben schon eine Idee, was wir daraus machen.“ Geschmacklich nämlich, sagt der Winzer noch, „wird 2017 auf keinen Fall eine Enttäuschung.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Nachtfrösten im Frühjahr und der Sorge um den Weinjahrgang 2017 könnt Ihr noch einmal hier auf Mainz& nachlesen. Der Tipp der Winzer für 2017: Sich gut mit dem tollen 2016er Jahrgang eindecken! 2016 gab es nach einem turbulenten Weinjahr nämlich ein Happy End: Heraus kam ein großartiger Jahrgang mit faszinierenden, vollen und frischen Weißweinen und runden Rotweinen – mehr dazu lest Ihr hier.

 

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