Ostern steht vor der Tür, und wir hätten da eine Ostereier-Suche ganz besonders spannender Natur für Euch: Im Mainzer Landesmuseum könnt Ihr seit heute in allen Abteilungen neue, weiße Vitrinen mit roten Leuchtstreifen finden. Darin: Exponate aus Sammlungen der Mainzer Universität. Und die geben den Dauerausstellungen im Mainzer Landesmuseum ganz neue Dreh- und Perspektivpunkte. Da zeigt eine Isis-Statue die Ursprünge der Muttergottes auf, korrespondieren Antikenstatuen mit Bildern Albrecht Dürers – und erweckt ein alter Brief der Familie von Arnim ein Bildnis im Museum zu neuem Leben.

Ziemlich beste Freunde - Muttergottes Isis Indien
Muttergottes, stillende Isis und chinesische Schutzgöttin Chuan Yin: Geschichte der Mutterfiguren – Foto: gik

„Ziemlich beste Freunde“ heißt die neue Kooperation zwischen Museum und Uni, es ist „ein Experiment“, wie Vera Hierholzer, Koordinatorin der Sammlungen der Mainzer Universität betont. Rund 30 Sammlungen hat die Johannes-Gutenberg-Universität in ihren verschiedenen Fachbereichen, das reicht von Pflanzenpräparaten in der Botanik und menschlichen Exponaten in der Medizin über Urmenschenschädel bis hin zu Gesangsbüchern, afrikanischen Statuen und moderner afrikanischer Musik, Handschriften der Romantik oder mathematischen Modellen.

Invasion aus Objekten der Uni-Sammlungen zwischen Bildern und Skulpturen

„Wir schmuggeln unsere Objekte jetzt in die Museen“, sagt Hierholzer, „das ist eine kleine Invasion.“ In der Tat: Rund 50 Objekte aus Uni-Sammlungen haben nun das Landesmuseum in der Großen Bleiche erobert. In der Skulpturenabteilung, bei den Renaissance-Bildern, zwischen Gemälden der Moderne – überall im Museum verteilt stehen nun die weißen Vitrinen der Universität.

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Und es ist absolut faszinierend, wie die neuen Eindringlinge die alten Kunstwerke bereichern: Da werden neue Perspektiven eröffnet, Zusammenhänge aufgezeigt und ganz neue inhaltliche Zusammenhänge zu den etablierten Kunstwerken geschaffen. So steht in einer Vitrine im ersten Stock – in der Sammlung von Heiligenfiguren – eine kleine Isis-Statue aus dem antiken Ägypten. Es ist eine „stillende Isis“, eine Darstellung der antiken Göttin – die auch in Mainz verehrt wurde – als säugende Mutter, und ebendiese Tradition wurde später auf die Muttergottes Maria übertragen, erklärt Hierholzer. Daneben: Eine Medaillon mit Wappen der Universität, das Maria zeigt – die Muttergottes wurde auch als Sitz der Weisheit verehrt.

Antikenstatuen geben Dürer-Bildern neue Tiefe

Ziemlich beste Freunde - Dürer und die Antike
Ziemlich beste Freunde: Albrecht Dürer und die Antikenstatuen – Foto: gik

Nebenan, in der Renaissance-Abteilung, haben zwei überlebensgroße Antikenstatuen Einzug gehalten: Die Venus von Milo und der Speerträger des Bildhauers Polyklet blicken direkt auf die weltberühmten Gemälde Adam und Eva von Albrecht Dürer – aus gutem Grund: Die Renaissance war das Zeitalter, das die Antike wiederentdeckte, die Wiedergeburt der antiken Vorbilder inspirierte die Meister im 16. Jahrhundert dazu, sich mit dem Menschen und seiner Anatomie auseinanderzusetzen. Auch Albrecht Dürer suchte, den antiken Meistern nachzueifern – ein Aufenthalt in Venedig 1506/1507 brachte ihn in Kontakt mit den antiken Vorbildern und regte ihn zu einer Revision seines Menschenbildes in der Malerei an. Nun bauen die Nachgüsse der antiken Statuen sichtbare Linien zu seinen Bildern auf.

Die Venus ist ein Abguss des Mainzer Vereins für plastische Kunst, der im 19. Jahrhundert versuchte, mit Hilfe von Gipsabgüssen den Mainzern „mehr ästhetisches Verständnis beizubringen“, wie Patrick Schollmayer von den Archäologen der Uni zu berichten weiß. Die Venus von Milo selbst wurde allerdings erst im 19. Jahrhundert überhaupt entdeckt, ebenso wie der Speerträger – beide wurden dann zu Ikonen des Altertums.

Anatomia des Eustachius und Pflanzenpräparate im Jugendstil

Ergänzt wird das Pärchen durch zwei Monographien aus der späteren Renaissance- Zeit – eine von beiden ist eine der berühmten Anatomie-Bücher des italienischen Arztes Eustachius. Auch sie zeigt, wie mit der Wiederentdeckung der Antike auch das Interesse an der exakten Erforschung des menschlichen Körpers erwachte – und der Medizin völlig neue Türen öffnete. In der Kombination der Exponate aus Uni und Museum aber wird so aus einer Gemäldeschau unversehens ein Panorama einer Epoche. „Wir wollen mit unseren Objekten Perspektiven austauschen und Objekte in neuen Kontext rücken – und so neues Licht auf sie werfen“, sagt Hierholzer.

Ziemlich beste Freunde - Mathematik und Gemälde mit Oliver Labs
Dialog zwischen Mathematik und Malerei, mit Mathematiker Oliver Labs – Foto: gik

Und das gelingt: In der Sammlung von Jugendstil-Glaskunst zeigen Pflanzenpräparate die Verbindung der Glaskünstler zur Botanik auf. „Die Künstler hatten vielfach botanische Kenntnisse“, berichtet Hierholzer, echte Pflanzen wurden als Vorbilder für die Ranken und Blätter der gläsernen Kunstwerke studiert. In einem anderen Saal werden Gemälde Max Slevogts über Ägypten mit seinen Kamelen mit einem Alternativreiseführer der Reihe „Anders Reisen“ aus den 1980er Jahren kontrastiert – Ägyptenideal meets Alltagsbetrachtung.

Mathematikmodell der Diagonalfläche trifft abstrakte Gemälde

Im Dachgeschoss hat in der Abteilung „Kunst der Moderne“ ein mathematisches Modell Einzug gehalten: Es ist die optische Umsetzung der „Diagonalfläche“ des Mathematikers Alfred Clebsch, ein geschwungenes Gebilde, auf dem genau 27 Geraden liegen. Das Gebilde wird durch eine einzige mathematische Gleichung beschrieben, schwärmt der Mathematiker und Designer des Modells Oliver Labs. Nun korrespondiert die „Diagonalfläche“ mit den abstrakten Werken von Alo Altripp und Heinz Prüstel – als würden die Künstler das mathematisch erzeugte Gebilde in ihren Gemälden geradezu spiegeln.

Ziemlich beste Freunde - Triptychon und Vitrine
Krieg, Verantwortung, Kindersoldaten – Bernhard Heisig und Johnny Mad Dog – Foto: gik

Um die Ecke ist ein gewaltiges Triptychon von Bernhard Heisig zu sehen, es schreit die Schrecken des Zweiten Weltkriegs hinaus. Davor eine Vitrine mit Sandsteinköpfen, gefunden in den Trümmern von Mainz, einem Gedicht von Clemens von Brentano über die Schlacht von Waterloo – und einem Taschenbuchexemplar des Romans „Johnny Mad Dog.“ In dem Roman von Emmanuel Dongala geht es um den Bürgerkrieg im Kongo und um Kindersoldaten, die zum Dienst an der Waffe gezwungen werden. So wird Heisigs Botschaft der Mahnung an Kriegssschrecken und Verantwortung in Zeit und Raum erweitert – und erstrahlt auf einmal wieder völlig modern und gegenwärtig.

Kooperation „Augen-Öffner“ für Uni und Museum

Die Kooperation sei für die Universität enorm fruchtbar und geradezu ein Augen-Öffner, sagte Uni-Vizepräsident Wolfgang Hofmeister: „Wir erkennen jetzt auch, welche Schätze wir haben. „Auch wir sehen dadurch unsere Objekte aus einem anderen Blickwinkel, entdecken neue Beziehungen“, sagt die stellvertretende Direktorin des Landesmuseums, Birgit Heide: „Das ist auch für uns eine Bereicherung.“ Diese „Interventionen mit der Moderne“, meinte denn auch Thomas Metz, Generaldirektor Kulturelles Erbe in Rheinland-Pfalz, sei hoch willkommen: „Das hilft auch, Dauerausstellungen wieder interessant zu machen.“

Ziemlich beste Freunde - Brief Brentano und Gemälde
Tochter und Brief: Wenn Wissenschaft Museum ergänzt und beides lebendig wird – Foto: gik

Das gilt ganz besonders für einen kleinen Brief, der nun in einer Vitrine in der Gemäldesammlung Einzug gehalten hat: Es ist ein Brief von Meline von Guaita, eine der Brentano-Schwestern, an ihre Schwester Bettine von Arnim, der berühmten Dichterin. Die Vitrine mit dem Brief aber steht direkt neben einem großen Frauenporträt – es zeigt Marie, Melines Tochter, in einem Porträt von Philipp Veit. Und in dem Brief schildert Meline ihrer Schwester Bettine die Rückkehr Maries von einem Besuch bei Bettine… Und auf einmal wird aus dem unpersönlichen Gemälde eine Geschichte, das Objekt ein Mensch aus Fleisch und Blut.

25 solche Stationen sind kreuz und quer im Landesmuseum verteilt, wer sie aufsucht, dem erschließt sich das altehrwürdige Museum mit neuen Augen. Viel Spaß bei der Ostereiersuche der anderen Art!

Info& auf Mainz&: „Ziemlich beste Freunde – Die Sammlungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zu Gast in Mainzer Museen“ ist im Mainzer Landesmuseum bis zum 12. Juni 2016 zu sehen. Vom 20. Mai bis 20. August schleichen sich die Uni-Sammlungen außerdem ins Naturhistorische Museum ein, vom 2. Juli bis 4. September ins Bischöfliche Dom- und Diözesanmuseum. Das Landesmuseum hat auch über Ostern geöffnet, bis auf Karfreitag jeden Tag von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr, auch am Ostermontag. Dienstags hat das Museum bis 20.00 Uhr offen. Eintritt 6,- Euro, ermäßigt 5,- bzw. 3,- Euro, Kinder unter sechs Jahren haben freien Eintritt. Alle praktischen Infos hier, Informationen zu „Ziemlich beste Freunde“ hier.

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